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Buchbesprechung »Adam, Eva und der Teufel« im W+W-Info

22.1.2015

»Bibelforscher waren bereits lange davon überzeugt, dass der biblischen Schöpfungsgeschichte von Adam und Eva ein älterer Mythos zugrunde liegt. Nur fehlte ein schriftlicher Beweis dafür«, schrieb kürzlich »Die Welt«. [1] Das neue Buch »Adam, Eve, and the Devil – A New Beginning« von Marjo C.A. Korpel und Johannes C. de Moor [2] zeige: »Adam und Eva sind 800 Jahre älter als die Bibel« und Adam sei in dieser Urversion zunächst eine Gottheit gewesen, Eva trage keinerlei Schuld.

Der Weg von zwei 1929 in Ugarit (heutiges Syrien) gefundenen Keilschrift-Täfelchen hin zu diesen Aussagen, die den ersten Kapiteln der Bibel jegliche Historizität absprechen, ist weit. Sind die Schlussfolgerungen der Autoren zwingend oder gibt es auch alternative Deutungsmöglichkeiten?

Korpel ist Alttestamentlerin, de Moor Altorientalist, beide lehren an der Protestantischen Theologischen Universität in Amsterdam. Das 330 Seiten starke Werk bietet viele interessante Fakten. Allerdings: Die Schlussfolgerungen sind meist schon durch das zugrunde liegende Weltbild der Autoren von vornherein festgelegt. Lassen sich die Ursprünge der biblischen Erzählungen zu den Kanaanitern zurückverfolgen, wie es ein Blick auf die Buchrückseite nahelegt?

»Gemäß diesen Keilschrifttafeln lebten El, der Schöpfergott, und seine Frau Asherah in einem Weinberg oder Garten an den Hängen des Berges Ararat, aus der Bibel bekannt als der Berg, an dem die Arche Noah strandete. Der erste Sünder war kein menschliches Wesen, sondern ein böser Gott namens Horon, der El entthronen wollte. Horon wurde vom Berg der Götter verbannt, und aus Rache verwandelte er den Baum des Lebens im Garten in einen Baum des Todes und hüllte die ganze Welt in einen giftigen Nebel. Adam wurde heruntergesandt, um das Leben auf Erden wiederherzustellen, doch er scheiterte, weil Horon in Form einer großen Schlange ihn biss. Als Folge verloren Adam und seine Frau ihre Unsterblichkeit.« [3]

Elemente dieser Geschichte kommen uns bekannt vor, die Botschaft aber ist eine völlig andere als in der Bibel. Die Frage ist daher: Welche Version war zuerst da? Das Autorenpaar hält sich an die gängige Sichtweise: Die Bibel sei natürlich viel später verfasst worden als die untersuchten Keilschrifttexte. Diese Ansicht wird nur lapidar begründet, wenn es heißt: »Die babylonische Geschichte der Sintflut ähnelt der biblischen Erzählung in so vieler Hinsicht, dass angenommen werden muss, dass der biblische Bericht abhängig von den viel älteren mesopotamischen Traditionen ist. Dies ist so gut bekannt, dass es hier nicht extra angeführt werden muss.« [4]

Nach einer kurzen Einleitung beschäftigt sich Kapitel 2 des Buches mit dem eigentlich Neuen: Auf 75 Seiten wird der »Adamitische Mythos im Östlichen Mittelmeerraum« erläutert, also die beiden neu interpretierten Ugarit-Tafeln und ihr kulturelles Umfeld aus anderen archäologischen Quellen. Die aufgezeigten Zusammenhänge sind umfassend und sehr aufschlussreich, einige Verknüpfungen scheinen allerdings nicht viel mehr als Mutmaßungen zu sein. So sind beispielsweise die Ausführungen zum Gebirge Ararat ziemlich vage: Dieser sei mit dem »Berg des Ilu« aus den ugaritischen Texten gleichzusetzen, symbolisiere somit den Ort von Sonnenauf- und untergang und sei überdies nicht nur der traditionelle Sintflutberg, sondern auch der Berg inmitten des Gartens Eden. [5] Neuinterpretationen einiger Rollsiegel im Zusammenhang mit den ugaritischen Texten überzeugen nicht, zumal das in Bezug auf die Sündenfallgeschichte wichtigste, sogenannte »Adam-und-Eva-Rollsiegel« [6] überhaupt nicht erwähnt wird.

Kapitel 3 führt weitere »Entsprechende Motive in der antiken Welt« aus und schließt mit der Erkenntnis, dass die Bibel viele dieser Mythen direkt oder indirekt übernommen habe. Im Blick auf die Schöpfungsgeschichte sei aber keine andere außerbiblische Erzählung »so nah an der biblischen Darstellung von Schöpfung, Auflehnung und Wiederherstellung der Ordnung wie der ugaritische Mythos.« [7]

Insgesamt bietet das Buch dann in den weiteren Kapiteln eine ausführliche Zusammenschau der Adam-und-Eva-Thematik sowie verschiedener Schöpfungsüberlieferungen. Diese Sammlung in Kombination mit der neuen Analyse des ugaritischen Befundes, dessen Hauptdokumente im Anhang transkribiert sind, machen »Adam, Eve, and the Devil« zu einem wichtigen wissenschaftlichen Werk. Störend sind allerdings die voreingenommene Sichtweise, die aus der Spätdatierung der biblischen Schöpfungserzählung folgt, und die teilweise sehr vagen Begründungen von entscheidenden Zusammenhängen. Eine frühe Entstehung der Genesis würde vielleicht eine bessere Interpretation ermöglichen. Dann nämlich wäre der Bibeltext (oder seine möglicherweise schon schriftlich vorhandenen Quellschriften) älter als der Ugarit-Text und auch älter als einige der angeführten mesopotamischen Texte. Es hätte dann keine monotheistische Bereinigung stattgefunden (was ein rein theoretisches Konstrukt ist), sondern eine Ausschmückung des von gottesfürchtigen Autoren verfassten Originals nach der Ausbreitung eines Vielgötterglaubens in der antiken Welt. Liest man die Kapitel 10 und 11 der Genesis, erscheint dies durchaus plausibel.

Korpel und de Moor präsentieren spannende neue Fakten und überdies eine umfassende Zusammenstellung vieler Quellen zur besprochenen Thematik. Wenn wir die Deutungen im Sinne des naturalistischen und bibelkritischen Weltbilds einmal beiseite schieben, haben wir eine wichtige Erkenntnis vorliegen: Elemente der Schöpfungsgeschichte, des Sündenfalls und der Sintflut sind auch außerbiblisch vielfältig überliefert.

Spuren von Adam (die es auch schon länger z.B. in der Assyrischen Königsliste gibt [8]) führen zu einer viel einfacheren Erklärung: Die in der Bibel geschilderten Ereignisse könnten tatsächlich wie beschrieben geschehen sein, und in der Bibel steckt viel mehr als Erzählungen und Märchen aus 1001 Nacht.

Timo Roller, (Link zum Originalartikel, erschienen im November 2014: W+W Info)

 

 

1. Welt Online, 20.5.2014, www.welt.de/geschichte/article128190416/
Adam-und-Eva-sind-800-Jahre-aelter-als-die-Bibel.html

2. Siehe www.sheffieldphoenix.com/showbook.asp?bkid=271

3. Buchrückseite, meine Übersetzung.

4. S. 38, meine Übersetzung.

5. Siehe S. 26ff.

6. www.britishmuseum.org/explore/highlights/highlight_objects/
me/a/adam_and_eve_cylinder_seal.aspx

7. S. 105, meine Übersetzung.

8. Der zweite Herrscher heißt »Adamu«, siehe www.livius.org/k/kinglist/assyrian.html

 

 

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