Spielfilm-Arche als Touristenattraktion?

Arche-Noah-Region spielt Trümpfe aus

21.5.2014

Die Behörden der Provinz Sirnak in der Osttürkei hätten gerne die Arche aus dem Hollywood-Film »Noah«, um sie am Berg Cudi auszustellen. Nach islamischer Tradition war dies der Landeplatz der Arche, inzwischen werden auch unter Christen Stimmen laut, dass das Gebirge an der geografischen Grenze zu Mesopotamien zu den Bergen von Ararat gehört hat.

Das Buch mit den Forschungsergebnissen des internationalen Symposiums der Universität Sirnak.

Der Anspruch, hier sei die Arche – 300 Kilometer südlich vom berühmten Ararat – nach der Sintflut gestrandet, wird untermauert durch ein neu erschienenes Buch. Es beinhaltet auf über 600 Seiten die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Konferenz, die im September 2013 an der Universität Sirnak abgehalten wurde. Neben vielen einheimischen Islamgelehrten und Experten aus dem Nahen Osten wirkten an der Konferenz auch christliche Forscher aus den USA und Polen mit. Aus Deutschland war Timo Roller dabei und hielt einen Vortrag über die Rolle deutscher Expeditionen zum alternativen Arche-Berg. Sein neu erschienenes Buch »Das Rätsel der Arche Noah« fasst die Forschungsergebnisse rund um den Berg Cudi zusammen.

Noah-Forscher Timo Roller hält den Berg Cudi in der Tat für den biblischen Archeberg. Die Ortsangabe aus der Genesis laute wörtlich übersetzt »auf den Bergen von Ararat«, womit das antike Reich Urartu gemeint sei. Andere historische Quellen wie die Schriften des jüdischen Geschichtsschreibers Josephus Flavius oder frühe christliche Überlieferungen deuteten ebenfalls auf den Cudi. Die Mosebücher, etwa 2000 Jahre vor dem Koran verfasst, enthielten schlichtweg eine etwas allgemeinere Ortsangabe. Noch vor wenigen Jahrhunderten sei unter Bibelwissenschaftlern diskutiert worden, dass es einen »syrischen« und einen »armenischen« Ararat gebe. »Im Zuge der Sensationsmeldungen vom ›Ararat‹ sind die Diskussionen um den tatsächlichen Landeplatz in Vergessenheit geraten. Den endgültigen Beweis für die Arche auf dem Großen Ararat blieben bisher alle Forscher schuldig«, so Roller.

Timo Roller beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Berg Cudi – angestoßen wurden seine Forschungen durch Satellitenbilder aus Google Earth. An der Universität Sirnak hielt er einen Vortrag über die Rolle deutscher Forscher auf dem Berg Cudi. Das erste Foto der Ruinen auf dem Gipfel aus dem Jahr 1899 stammt ebenso von einem Deutschen wie die erste wissenschaftliche Untersuchung eines Fundstücks: Im Jahr 1954 hat ein Geologe aus Hessen Holzreste vom Cudi nach der C-14-Methode datiert und ein Alter von 6500 Jahren erhalten.

Als einziger Deutscher wirkte Timo Roller an der Konferenz mit

Die historischen Belege seien überzeugend, eindrucksvolle Spuren einer erhaltenen Arche erwartet Roller aber nicht. Wohl gebe es archäologische Hinweise wie die Überreste eines alten Klosters auf dem Gipfel des Cudi, das wohl im 4. Jahrhundert um damals möglicherweise noch vorhandene Reste der Arche gebaut worden sein könnte. Kloster und Arche sind aber nach den neuesten Erkenntnissen dem Zahn der Zeit, einem verheerenden Brand im 8. Jahrhundert und dem Reliquiensammeln zahlloser Pilger (darunter der assyrische König Sanherib) im Laufe der Jahrtausende zum Opfer gefallen.

Abdullah Yasin, Museumsdirektor in der Stadt Cizre am Berg Cudi, mit Rollers Buch über den Arche-Landeplatz vor seiner Haustür.

Die Region um den Berg Cudi leidet seit Jahrzehnten unter der Auseinandersetzungen der türkischen Armee mit kurdischen PKK-Rebellen. Tausende Menschen wurden getötet oder sind aus der Gegend geflohen. Die Provinz Sirnak ist mit einem Pro-Kopf-Einkommen von rund 1900 Euro im Jahr die ärmste Gegend der Türkei.

Die Arche aus dem Noah-Film stammt zum großen Teil aus dem Computer.

Dass Verantwortliche wie der Vorsitzende der Handelskammer von Sirnak, Osman Gelis, nun vom touristischen Ausbau ihrer Heimat sprechen und die Idee mit der Film-Arche vorbringen, werten viele als Zeichen der Entspannung im türkischen Kurdengebiet. Seit dem Waffenstillstand mit der PKK im Frühjahr 2013 sind tatsächlich Einheimische wieder auf dem Gipfel des Cudi-Gebirges gewesen, um die historischen Ruinen zu besuchen. Zuvor war das ganze Bergland militärisches Sperrgebiet gewesen. Auch die internationalen Gäste der Konferenz wollten die antiken Stätten besuchen, doch dieses Vorhaben scheiterte dann kurzfristig an erneut aufkeimenden Spannungen.

Nun möchte man die Hollywood-Arche gerne an den Hängen der Cudi-Berge aufstellen und dort einen Nationalpark mit Zoo errichten. Da für den Film allerdings nur die Vorderseite der Arche tatsächlich erbaut worden war und der Rest aus dem Computer stammt, können sich die Zimmerleute der Gegend höchstens nach den Plänen des Produktionsdesigners Mark Friedberg richten und die Arche, in der Russell Crowe als Noah seine Familie und alle Tierarten vor der Sintflut gerettet hat, ganz neu in voller Größe errichten.

Timo Rollers Ausarbeitung im Konferenzband trägt den Titel »The German Explorers of Cudi Dagh«.

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